Liberale Hegemonie statt Realismus
Was die Kriege in Afghanistan, Irak und der Ukraine gemein haben
Warum engagieren sich die USA für die Ukraine?
Warum unterstützen die USA und in deren Gefolge die meisten anderen NATO-Staaten die Ukraine in ihrem Verteidigungskampf gegen die russischen Invasoren so vehement? Die Frage wird im medialen Mainstream so nie gestellt. Das Engagement der USA wird als selbstverständlich vorausgesetzt, aber dem ist keineswegs so. Der Ukraine wurde zwar auf dem NATO-Gipfel im April 2008 in Bukarest eine künftige NATO-Mitgliedschaft in Aussicht gestellt, die Absicht die Ukraine in Zukunft als neues Mitglied aufzunehmen wurde auch regelmäßig erneuert, bei dieser Absichtserklärung ist es aber bislang geblieben. Es besteht also keine Bündnisverpflichtung der Ukraine mit Waffenlieferungen und Sanktionen gegen den russischen Aggressor beizuspringen. Die USA und die Ukraine sind geografisch durch mehr als einen gigantischen Ozean getrennt. Unmittelbare Sicherheitsinteressen der USA sind in der Ukraine also offensichtlich auch nicht betroffen. Ein Sicherheitsrisiko ergibt sich für die USA erst durch ihr Engagement an der Seite der Ukraine gegen das mit einem riesigen Atomwaffenarsenal ausgerüstete Russland. Insofern erscheint das Verhalten der USA im Ukraine-Krieg sicherheitspolitisch unklug. Zu allem Überfluss hat die Unterstützung der Ukraine die USA schon jetzt mehr als 100 Mrd. USD gekostet.
Das Engagement für die Ukraine hat bekanntlich nicht erst mit dem Krieg begonnen. Die US-Diplomatin Victoria Nuland erklärte bereits im Jahr 2013 in ihrer Funktion als Assistant Secretary of State für Europa und Eurasien, dass die USA bis zu diesem Zeitpunkt 5 Mrd. Dollar eingesetzt hätten, um die Ukraine in eine den USA genehme politische Richtung zu lenken. Sowohl Nuland, die heute Staatssekretärin im US-Außenministerium ist, als auch der prominente republikanische Senator John McCain fanden sich zu Zeiten des Euromaidan 2013/2014 persönlich in Kiew ein und unterstützten die Proteste, ebenso wie der damalige deutsche Außenminister Guido Westerwelle. Wie ungewöhnlich das ist, wird deutlich, wenn man sich vorstellt hochrangige russische oder chinesische Politiker würde regierungskritische Demonstrationen in Washington, Paris oder Berlin vor Ort unterstützen. Im Ergebnis wurde der korrupte, aber doch demokratisch gewählte Präsident Janukowitsch aus dem Amt gejagt und durch eine den USA freundlicher gesonnene Regierung ersetzt. Ob das auch ohne das Engagement der USA passiert wäre oder nicht, kann an dieser Stelle dahingestellt sein. Die Frage bleibt aber, warum die USA seit Jahren keine Mühen und Risken scheuen, um die Ukraine in das eigene, also das westliche Lager zu ziehen.
Erklärung 1: Die einzige Weltmacht
Mit dem Ende des kalten Krieges, der Auflösung des Warschauer Paktes und dem Zerfall der Sowjetunion im Jahr 1991 entstand eine unipolare Weltordnung mit den USA als der einzigen verbliebenen Weltmacht. Eine denkbare Erklärung für das Engagement der USA im Ukraine-Krieg wäre die Befürchtung, dass aus Russland, wenn es die Ukraine annektiert oder zu einem Vasallenstaat ähnlich Belarus macht, wieder ein geopolitischer Herausforderer werden kann, der die Rolle der USA als einziger Weltmacht gefährdet. Eine solche Argumentation kann sich auf den Sicherheitsberater von US-Präsident Jimmy Carter, Zbigniew Brzezinski, und dessen 1997 veröffentlichtes einflussreiches Buch „The Grand Chessboard: American Primacy and Its Geostrategic Imperatives“ (in deutscher Übersetzung: „Die einzige Weltmacht – Amerikas Strategie der Vorherrschaft“) berufen. Brzezinski sah in Eurasien die Möglichkeit des Heranwachsens eines potenziellen Herausforderers für die Vorherrschaft der USA. In einem Foreign Affairs Artikel aus dem September 1997 führte er aus: „Eine Macht, die Eurasien beherrscht, würde entscheidenden Einfluss auf zwei der drei wirtschaftlich produktivsten Regionen der Welt, Westeuropa und Ostasien, ausüben. Ein Blick auf die Karte zeigt auch, dass ein Land, das Eurasien beherrscht, fast automatisch den Nahen Osten und Afrika kontrollieren würde. Da Eurasien nun das entscheidende geopolitische Schachbrett ist, reicht es nicht mehr aus, eine Politik für Europa und eine andere für Asien zu machen. Was mit der Machtverteilung auf der eurasischen Landmasse geschieht, wird von entscheidender Bedeutung für Amerikas globale Vormachtstellung sein.“ Diese Vormachtstellung sah Brzezinki durch Verbindungen Russlands mit den Staaten der ehemaligen Sowjetunion und Koalitionen Russlands mit Westeuropa, China und dem Iran gefährdet. Eine besondere Rolle kam aus Sicht von Brzezinki der Ukraine zu, er schrieb: „Die Unabhängigkeit der Ukraine beraubte Russland seiner beherrschenden Position am Schwarzen Meer, wo Odessa das unersetzliche Tor für den Handel mit dem Mittelmeerraum und der Welt jenseits davon war.“ – „Ohne die Ukraine ist Russland kein eurasisches Reich mehr.“ – „Unter geopolitischem Aspekt stellte der Abfall der Ukraine einen zentralen Verlust dar, denn er beschnitt Russlands geostrategische Optionen drastisch.“[1] Im Umkehrschluss folgt daraus, dass es aus der seinerzeitigen Sicht von Brzezinki Ziel der USA sein muss, eine erneute Verbindung Russlands mit der Ukraine zu verhindern, um die Stellung der USA als einzige Weltmacht zu bewahren.
Aus heutiger Sicht ist die Argumentation als mögliche Erklärung für das Engagement der USA im Ukraine-Krieg allerdings wenig plausibel. Russland ist selbst in Kombination mit der Ukraine bei Weitem zu schwach, um zu einem ernsthaften geopolitischen Herausforderer für die USA heranzuwachsen. Das BIP der USA entspricht dem 13fachen, die Bevölkerung dem 2,3fachen der Russlands. Statt die Ukraine in einem Stellvertreterkrieg gegen Russland mit allen Mitteln außer eigenen Soldaten zu unterstützen, könnten die USA schlicht akzeptieren, dass die Ukraine zur Einflusssphäre ihres größeren Nachbarn gehört und darauf setzen einen Machtblock aus Russland und seinem nahen Ausland mit den europäischen NATO-Staaten auszubalancieren, also eine Art Machtgleichgewicht in Europa aufrecht zu erhalten. Das klingt vielleicht in der moralisch aufgeladenen Debatte in Deutschland zynisch, ein solche Herangehensweise würde aber der Strategie zu Zeiten des kalten Krieges ähneln. Seinerzeit haben die USA und ihre westlichen Verbündeten auch akzeptiert, dass die Staaten östlich des Eisernen Vorhangs Teil der sowjetischen Einflusssphäre sind, man könnte sagen sie haben eine Appeasement-Politik gegenüber dem Reich Stalins und seiner Nachfolger betrieben. Ungarn und Tschechoslowaken konnten aus diesem Grund nicht auf nennenswerte US-Unterstützung bei ihren Volksaufständen bzw. Reformbemühungen 1956 respektive 1968 rechnen. Der zumindest in Teilen nach Westen strebenden Ukraine sowohl EU-Mitgliedschaft als auch NATO-Mitgliedschaft ausdrücklich zu verwehren und sie quasi Russland zu überlassen mag unmoralisch klingen. Das Ergebnis wäre wahrscheinlich im schlechtesten Fall eine Ukraine gewesen, die ähnlich eng mit Russland verbundenen und von Russland abhängig ist, wie Belarus, im besten Fall ein neutraler Staat der als Brücke zwischen Russland und der EU fungiert. Unter Umständen kein erfreuliches Ergebnis, aber vielleicht doch besser als ein Krieg, der Tod und Zerstörung bringt und am Ende wahrscheinlich in eine dysfunktionale, verarmte Rumpfukraine mündet, die sich in einem möglicherweise auf Jahrzehnte eingefrorenen Konflikt mit Russland befindet, der jederzeit wieder zu einem heißen Krieg eskalieren kann.
Geopolitisch rational wäre es für die USA gewesen, nicht nur zu akzeptieren, dass die Ukraine zur russischen Einflusssphäre gehört, sondern darüber hinaus eine strategische Partnerschaft mit Russland anzustreben, die gegen den aus heutiger Sicht eigentlichen Herausforderer der amerikanischen Stellung als einziger Weltmacht gerichtet ist: China. So wie die USA umgekehrt auch zu Zeiten des kalten Krieges eine unwahrscheinliche Partnerschaft mit dem kommunistischen China eingegangen sind, um die Sowjetunion einzudämmen. In der im Oktober 2022 veröffentlichten Nationalen Sicherheitsstrategie der USA heißt es: „[China] ist der einzige Konkurrent, der sowohl die Absicht hat, die internationale Ordnung umzugestalten, als auch zunehmend die wirtschaftliche, diplomatische, militärische und technologische Macht, um dies zu erreichen.“ Tatsächlich hat China eine vierfach größere Bevölkerung als die USA, eine Wirtschaft, die die der USA möglicherweise bald übertreffen wird und wahrscheinlich auch ein zunehmend technologisch leistungsfähiges Militär. Die Option einer Partnerschaft mit Russland zur Eindämmung des Herausforderers China hat sich aber spätestens mit der massiven militärischen Unterstützung der Ukraine durch die USA erledigt. Russland wurde hierdurch vielmehr endgültig genötigt sein Heil in einer Partnerschaft mit China zu suchen die gegen die USA und den Westen gerichtet ist. China erhält hierdurch einen privilegierten Zugang zu Russlands Rohstoff-Reichtum. Wenn es den USA mit ihrer Unterstützung der Ukraine also allein darum ginge ihre Stellung als einzige Weltmacht zu festigen, wäre das ein desaströses Ergebnis. Allein mit diesem Ziel, ist die Strategie der USA im Ukraine-Konflikt also nicht realistisch zu erklären.
Tatsächlich lässt sich aus heutiger Sicht mit Brzezinskis Argumentation eher das Verhalten von Putins Russland erklären. Russland erheb den Anspruch eine Großmacht zu sein, deren Sicherheitsinteressen zu berücksichtigen sind. Das ist aus den von Brzezinski geschilderten Gründen aus Russlands Perspektive nur möglich, wenn die Ukraine Teil der russischen Einflusssphäre ist und nicht ein Verbündeter, der Russland feindlich gesonnenen Weltmacht USA. Indem es Staaten in seiner näheren Umgebung, als Teil der eigenen Einflusssphäre ansieht, verhält sich Russland ähnlich wie die USA im Jahr 1823 als Präsident James Monroe die Monroe-Doktrin formulierte, womit die USA die Vorherrschaft auf dem amerikanischen Doppelkontinent für sich reklamierten und den europäischen Großmächten zu verstehen gaben, dass die USA eingreifen würden, wenn diese in der westlichen Hemisphäre Fuß zu fassen versuchen würden.
Erklärung 2: Liberale Hegemonie
Von westlichen Politikern und ihrem medialen Mainstream wird der Krieg zwischen der Ukraine und Russland als ein Krieg zwischen Freiheit und Demokratie einerseits und Autokratie und Terror andererseits oder schlichter als ein Kampf zwischen Gut und Böse dargestellt. In dieser Erzählung sind die USA die Anführer der Guten. Diese Darstellung passt zu einem Ziel der US-Außenpolitik welches nicht nur darauf abzielte die einzige Weltmacht zu sein und zu bleiben, sondern darüber hinaus auch eine möglichst weltweite liberale Ordnung zu errichten, eine liberale Hegemonie unter der wohlmeinenden Führung der USA. Eine liberale Ordnung auf nationaler Ebene ist gekennzeichnet durch Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschrechte und Toleranz. Auf internationaler Ebene werden in der Regel offene Grenzen für Handel, Investments und tendenziell auch Menschen als eine liberale Ordnung bezeichnet. Für die Beziehungen der Staaten untereinander gelten Regeln, die von Organisationen wie die Vereinten Nationen (UN) der Welthandelsorganisation (WTO) oder dem Weltwährungsfonds (IMF) aufgestellt und überwacht werden, welche unter wesentlichem Einfluss der USA stehen
Das klingt einerseits alles nach guten und wünschenswerten Zielen. Andererseits hört sich liberale Hegemonie, also das Streben nach Vorherrschaft, schon begrifflich nicht unbedingt friedlich an. Tatsächlich gehen die Anhänger dieser Strategie nicht unbedingt davon aus, dass sich liberale Ordnungen ganz von allein ausbreiten, sondern der aktiven Verbreitung durch die USA bedürfen. Die geopolitische Strategie der liberalen Hegemonie erfordert daher, dass die USA deutlich mächtiger sind und bleiben, als jedes andere Land und die damit verbundene Macht nutzen, um liberale Werte in der Welt zu verbreiten. Das erklärt, warum die USA im Jahr 2021 mehr Geld für Rüstung ausgaben, als die 10 nächstplatzierten Staaten zusammengenommen und die meisten dieser anderen Staaten waren sogar NATO-Verbündete der USA.
Die nationale Sicherheitsstrategie der Clinton-Administration beschrieb die USA als „Leuchtturm der Hoffnung für Menschen in aller Welt“ und als „unverzichtbar für die Bildung stabiler politischer Beziehungen“. Madeleine Albright, die Außenministerin in Clintons zweiter Amtszeit, sah die USA als „unverzichtbare Nation, die weitsichtiger ist als andere“. Clintons Nachfolger, George W. Bush, erklärte in der Antrittsrede zu seiner zweiten Amtszeit: „Es ist Politik der Vereinigten Staaten demokratische Bewegungen und Institutionen zu unterstützen, mit dem finalen Ziel die Tyrannei in unserer Welt zu beenden.“ Barack Obama schließlich erklärte im Jahr 2012 in einer Rede zur Lage der Nation: „Amerika bleibt die eine unverzichtbare Nation in der Welt.“[2] Die Zitate zeigen, dass das liberale Hegemonie anstrebende außenpolitische Establishment der USA, dem eigenen Land eine herausgehobene Sonderrolle gegenüber dem Rest der Welt zuweist und das Engagement der USA in aller Welt als unverzichtbar ansieht. Wer also geglaubt hat, Hybris und Selbstgerechtigkeit seien erst mit Donald Trump in das Weiße Haus eingezogen, der mag hier ins Grübeln kommen.
Liberale Hegemonie ist bei wohlwollender Betrachtung eine gut gemeinte, ganz sicher aber eine außerordentlich ambitionierte außenpolitische Strategie, die überhaupt nur denkbar wurde, weil die USA nach Ende des kalten Krieges 1989, plötzlich die einzige verbliebene Weltmacht waren. Anders als man vermuten könnte brachen denn auch 1989 keine ruhigen Zeiten für das US-Militär an. Die ambitionierten geopolitischen Ziele haben vielmehr zu einer Militarisierung der amerikanischen Außenpolitik geführt. Wikipedia listet für den Zeitraum von 1989-2022 25 Militäroperationen der Vereinigten Staaten auf, darunter zwei Kriege gegen den Irak, die das Land in Elend und Chaos zurückließen und den 20 Jahre andauernden Krieg in Afghanistan, an dessen schmachvollem Ende die zwei Dekaden zuvor vertriebenen Taliban wie selbstverständlich wieder die Macht im Land übernahmen.
Das Paradebeispiel für einen im Namen der Freiheit geführten Krieg ist die am 20. März 2003 begonnene „Operation Iraqui Freedom“, die den Irak von dem Tyrannen Saddam Hussein befreien und in eine liberale Demokratie zu verwandeln trachtete. Zu Ersterem war die von den USA angeführte Koalition der Willigen problemlos in der Lage. Letzteres ist dagegen, wie ähnliche Bemühungen anderswo, krachend gescheitert. Anders als die amerikanischen Strategen erwartet hatten, wurden die Soldaten nicht begeistert begrüßt, sondern als Besatzer wahrgenommen und bekämpft. Das hochgerüstete US-Militär kann zwar feindliche Armeen vernichten und eine Regierung stürzen oder vertreiben. Dafür eine liberale Demokratie zu schaffen ist es dagegen weniger gut geeignet.
Die von den USA und ihren westlichen Partnern betriebene außenpolitische Strategie der liberalen Hegemonie ist in Afghanistan, im Irak, in Lybien und anderswo an religiös, tribalistisch oder nationalistisch motivierten Widerständen der einheimischen Bevölkerungen gescheitert, die nicht von einer fremden Macht dominiert werden und keine liberale Demokratie sein wollten. Es hat in Afghanistan zwei Jahrzehnte gedauert bis der Westen unter der Führung der USA das erkannt und den Rückzug angetreten hat. Die Kosten allein des US-Verteidigungsministeriums für den Einsatz in Afghanistan in der Zeit von 2002-2021 summieren sich auf unvorstellbare 850 Mrd. USD, Deutschland hat der Krieg 12 Mrd. Euro gekostet. Zu erklären ist dieses absurd anmutende Verhalten damit, dass es sich bei der außenpolitischen Strategie der liberalen Hegemonie um den Teil einer Ideologie handelt. Die Anhänger dieser Ideologie schreiben sich selbst eine edle Gesinnung zu, wähnen sich moralisch überlegen. Sie neigen daher dazu den Einsatz zu erhöhen, wenn die aus ihrer Ideologie abgeleitete Politik nicht aufgeht, statt anzuerkennen, dass ihre Politik verfehlt ist.
Was hat dies nun mit dem Verhalten der USA im Ukraine-Krieg zu tun? Die Situation in der Ukraine ist doch sicher nicht mit der in Afghanistan oder im Irak vergleichbar. Die Ukraine kämpft zwar auch für Souveränität und gegen Fremdbestimmung. Der Angreifer ist aber nicht die USA, sondern Russland und die ukrainischen Verteidiger haben eine aufgeschlossenere Haltung dazu ihr Land zu einer liberalen Demokratie nach westlichem Vorbild zu entwickeln. Die der Politik der USA zugrunde liegende außenpolitische Strategie der liberalen Hegemonie ist dagegen dieselbe wie in den zahlreichen anderen Kriegen der letzten drei Jahrzehnte, in die die USA verwickelt waren. Ziel ist es erstens der Ukraine dazu zu verhelfen sich zu einer liberalen Demokratie zu entwickeln, die dann natürlich auch unter dem Einfluss Washingtons steht. Dabei scheinen die ukrainischen Menschenleben die das kostet, keine große Rolle zu spielen. Zweitens hofft die US-Regierung offensichtlich auch darauf, Putins illiberales Regime in Russland durch eine Niederlage in der Ukraine zum Einsturz zu bringen. Nur so ist die apodiktische Ablehnung von chinesischen Bemühungen um einen Waffenstillstand zu erklären.
Die ideologische Ausrichtung der US-Außenpolitik hat zu einer Verabsolutierung des Rechts der Ukraine sich dem Westen anzuschließen und Mitglied in EU und NATO werden zu wollen geführt. Gleichzeitig wurde das Interesse, des autoritär geführten Russland, keine NATO-Stützpunkte an seiner Grenze und in einem ehemaligen Sowjetstaat zu haben nicht anerkannt. Den Russen wurde und wird entgegengehalten, dass die NATO ein Verteidigungsbündnis sei. Die Ideologie verstellt den Blick dafür, dass das aus Perspektive Russland angesichts der zahlreichen von NATO-Staaten geführten Kriege nicht überzeugend ist. Die Ideologie erschwert es zudem mit einer Macht wie Russland, die eben keine liberale Demokratie, sondern eine verabscheute Autokratie ist, einen realistischen Kompromiss zu schließen, selbst dann, wenn ein solcher Kompromiss den Interessen der USA eher dienlich wäre und in der Ukraine Hunderttausende Menschenleben retten würde.
In der Praxis erweist sich liberale Hegemonie immer wieder als ein widersprüchliches außenpolitisches Konzept, ein Oxymoron. Liberalismus steht unter anderem für Toleranz und Menschenrechte. Der liberale Hegemon toleriert aber weder illiberale Staatsformen und deren Interessen, noch nimmt er viel Rücksicht auf Menschenleben, wenn es um die Durchsetzung seiner eigenen Ideologie geht. Wie in Afghanistan, dem Irak und anderswo ist die unrealistische, auf liberale Hegemonie abzielende, außenpolitische Strategie der USA und ihrer europäischen Vasallen auch in der Ukraine schon jetzt gescheitert, denn eine realistische außenpolitische Strategie hätte den Krieg und das damit verbundene Elend wahrscheinlich verhindern können.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Die obige Analyse rechtfertigt keineswegs den mörderischen Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt. Völkerrechtlich und moralisch ist Russland im Unrecht. Das schließt aber nicht aus, dass die USA bzw. der Westen und auch die Ukraine den Krieg provoziert und Mitschuld auf sich geladen haben.
[1] Vgl. Brzezinski, Zbigniew: The Grand Chessboard
[2] Vgl. Walt, Stephen M.: The Hell of Good Intentions: America's Foreign Policy Elite and the Decline of U.S. Primacy