Deutsche Politiker ohne Interesse an deutschen Interessen - Krieg im Namen einer weltfremden und gefährlichen Moral
Russland hat Deutschland nicht angegriffen! Warum also Krieg mit einer Atommacht riskieren?
Es klingt trivial, aber es ist wichtig zu betonen: Russland hat Deutschland nicht angegriffen! Der einzige Angriff auf Deutschland traf im September 2022 mit den Nordstream-Pipelines ein deutsch-russisches Gemeinschaftsprojekt. Der Angreifer war entweder die USA, wenn man dem Bericht von Seymour Hersh traut oder die Ukraine, wenn man eher den Informationen von Washington Post oder ZDF glaubt. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Russland so dämlich war, die eigenen Pipelines zu zerstören. Die Bundesregierung würde solche Informationen nicht geheim halten, sondern mit Enthusiasmus verbreiten. Russland ist die größte Atommacht der Welt. Jeder verantwortliche Politiker, der bei gesundem Verstand ist, wird alles daran setzen nicht in eine kriegerische Auseinandersetzung mit dieser Großmacht zu geraten. Schließlich ist gerade Deutschland historisch gesehen gut damit gefahren solide, auf gegenseitigen Interessen beruhende Beziehungen mit Russland zu pflegen. Krieg mit Russland hat sich für Deutschland jedenfalls nicht bewährt.
Für eine Kriegsbeteiligung Deutschlands bräuchte es gute Gründe, aber die gibt es nicht
Allein vor diesem Hintergrund müsste die massive deutsche Unterstützung der Ukraine mit Geld, Waffen und Sanktionen im Verbund mit den USA und der EU gegen Russland jedem unabhängigen und verständigen Beobachter absurd, ja fast schon wahnwitzig erscheinen. Jedenfalls sollte es äußerst überzeugende Gründe dafür geben, dass Deutschland in den Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt, auf Seiten der Ukraine eingreift und so riskiert in eine direkte kriegerische Auseinandersetzung mit Russland zu geraten, in der Deutschland im schlimmsten Fall ausgelöscht werden kann.
Der politische und mediale Mainstream und seine bevorzugten sogenannten Sicherheitsexperten stellen das deutsche Engagement an der Seite der Ukraine als eine Selbstverständlichkeit dar. Wer, wie AfD und BSW, eine Einmischung durch Waffenlieferungen und Sanktionen ablehnt, steht außerhalb des als akzeptabel angesehenen Meinungsspektrums und muss sich als Putinist oder ähnliches diffamieren lassen. Diejenigen, die in Deutschland (und anderswo) die Debatten rund um den Krieg in der Ukraine beherrschen, scheinen bewusst oder unbewusst eine Erkenntnis von Noam Chomsky anzuwenden. „Der klügste Weg, Menschen passiv und gehorsam zu halten, ist, das Spektrum der akzeptablen Meinungen streng zu beschränken, aber innerhalb dieses Spektrums eine sehr lebhafte Debatte zuzulassen – sogar die kritischeren und die Ansichten der Dissidenten zu fördern. Das gibt den Menschen das Gefühl, dass es eine Freiheit des Denkens gibt, während die Prämissen des Systems durch die Grenzen der Diskussion gestärkt werden.“
Die Selbstverständlichkeit einer deutschen Kriegsbeteiligung an der Seite der Ukraine beruht im Wesentlichen auf einer Reihe von Behauptungen, die als Fakten präsentiert werden. Danach führe Russland einen „unprovozierten“ Angriffskrieg, der nichts mit der NATO zu tun habe, weil Putin ein Imperialist sei, der nach einem Sieg über die Ukraine neue Opfer suchen werde. Der Krieg wird als Konflikt zwischen Demokratien und Autokratien dargestellt, in dem die Ukraine auch die Freiheit Deutschlands verteidige. Die Ukraine gilt als unschuldiges Opfer und natürlich will Putin nicht verhandeln. Nichts davon hält einer näheren Überprüfung stand, aber die Regierung verfügt, dank willfähriger Medien und Sicherheitsexperten, über die Fähigkeit Fakten und Wirklichkeit in die Flucht zu schlagen.
Lüge: Russland führt einen „unprovozierten“ Angriffskrieg, der nichts mit der NATO zu tun hat.
Richtig ist: Russland führt einen völkerrechtswidrigen, aber provozierten Angriffskrieg. Die Belege dafür, dass dieser Krieg von den USA, der NATO und auch von der Ukraine provoziert wurde, sind so eindeutig, dass man ernsthaft nur bezweifeln kann, dass dieser Provokation ein strategischer Plan zugrunde lag, einen Krieg in der Ukraine zu entfesseln, nicht aber, dass diese Provokation de facto stattgefunden hat.
„Der Beitritt der Ukraine zur NATO ist für die russische Elite, nicht nur für Putin, die klarste aller roten Linien. In den mehr als zweieinhalb Jahren, in denen ich Gespräche mit den wichtigsten russischen Akteuren geführt habe, von Scharfmachern in den dunkelsten Winkeln des Kreml, bis hin zu Putins schärfsten liberalen Kritikern habe ich noch niemanden gefunden, der die Aufnahme der Ukraine in die NATO als etwas anderes betrachtet als eine direkte Herausforderung für die russischen Interessen.“ … „Das Russland von heute wird reagieren, die russisch-ukrainischen Beziehungen werden tief einfrieren. Das wird einen fruchtbaren Boden für russische Einmischungen auf der Krim und in der Ost-Ukraine schaffen.“1
Das schrieb 2008 der damalige US-Botschafter in Moskau, William Burns, heute CIA-Chef in der Biden-Administration, unmittelbar vor dem Gipfel in Bukarest im April 2008 an die US-Außenministerin Condoleeza Rice. Präsident Bush jun., hat es nicht gekümmert. Im Abschlusskommuniqué des Gipfels wurde festgehalten, dass die Ukraine und Georgien künftig in die NATO aufgenommen werden sollen. Mit dem von den USA zumindest unterstützten gewaltsamen Machtwechsel oder Putsch in Kiew 2014 und der danach sukzessive vollzogenen de facto Integration der Ukraine in die NATO war aus russischer Sicht die leuchtend rote Linie überschritten.
Dass Russland im Vorrücken der USA und der NATO an seine Grenzen und im Schwarzen Meer als eine Bedrohung sieht, ist eigentlich leicht einzusehen. Würden umgekehrt Russland oder China in ähnlicher Weise Bündnisse mit Mexiko oder Kanada eingehen und Militärstützpunkte in der Nähe der USA errichten, wäre dies für die USA zweifellos inakzeptabel und ein Kriegsgrund.2
Dass die Integration der Ukraine in die NATO für Russland der Casus Belli war, hat inzwischen (wahrscheinlich unabsichtlich) auch NATO-Generalsekretär Stoltenberg eingeräumt: "President Putin declared in the autumn of 2021, and actually sent a draft treaty that they wanted NATO to sign, to promise no more NATO enlargement. That was what he sent us. And was a precondition for not invade Ukraine. Of course we didn't sign that."3 Die Aufnahme der Ukraine in die NATO, ein Militärbündnis dessen vorrangiges Ziel darin bestehen sollte Kriege zu verhindern, ist also so wichtig, dass die NATO dafür einen Krieg billigend in Kauf nimmt. Stoltenberg scheint die Absurdität seiner Aussage nicht bemerkt zu haben.
Nonsens: Putin ist ein Imperialist, der nach einem Sieg über die Ukraine neue Opfer suchen würde.
Ukrainische, amerikanische und deutsche Politiker behaupten seit dem blutigen Scheitern der Gegenoffensive bei jeder sich bietenden Gelegenheit, Putin werde nach einem Sieg über die Ukraine, seine Truppen früher oder später weitermarschieren lassen und auch NATO-Staaten angreifen. Die Ukraine wird als Damm dargestellt, der Russland daran hindert, im Rest Europas einzufallen.
US-Präsident Joe Biden sagte am 6. Dezember 2023 vor dem Kongress "If Putin takes Ukraine, he won’t stop there. It’s important to see the long run here. He’s going to keep going. He’s made that pretty clear.“4 Was der Greis gesagt hat, plappern auch seine europäischen Vasallen pflichtschuldig in die Mikrofone. Der deutsche Verteidigungsminister Boris „kriegstüchtig“ Pistorius verglich Putin am 11.04.2024 gar mit Hitler: „Putin wird nicht aufhören, wenn der Krieg gegen die Ukraine vorbei ist, das hat er klar gesagt“ ... „Genauso klar wie Hitler, der auch immer sagte, dass er nicht stoppen würde.“5 Belege oder Quellen für die Behauptung Putin habe die erklärte Absicht nach der Ukraine weitere europäische Staaten anzugreifen bleiben Biden, Pistorius & Co schuldig, es handelt sich schlicht um Propaganda.
Tatsache ist, dass Putin selbst nichts dergleichen gesagt hat, sondern das Gegenteil: „Wenn wir die Militärausgaben betrachten: Nehmen wir die Militärausgaben für 2022, … nehmen wir Daten des Stockholmer Friedensinstituts, …: Die USA haben 3,5 Prozent des BIP für Verteidigung ausgegeben, Russland vier Prozent. … Aber wie groß ist der Unterschied in absoluten Zahlen? Im Jahr 2022 haben die USA, wenn ich mich richtig erinnere, 811 Milliarden Dollar ausgegeben und Russland 72 Milliarden Dollar. 72 und 811, der Unterschied ist deutlich, mehr als das Zehnfache. Auf die USA entfallen etwa 40 Prozent der weltweiten Verteidigungsausgaben, …. Und auf Russland entfallen 3,5 Prozent. Werden wir etwa, wenn man dieses Verhältnis anschaut, in einen Krieg mit der NATO ziehen? Das ist doch Unsinn. Außerdem, was machen wir jetzt in der Militäroperation? Wir verteidigen unser Volk, das in unseren historischen Territorien lebt. Hätten wir nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, völlig neue Sicherheitsbeziehungen in Europa aufgebaut, wie es Russland vorgeschlagen hat, wäre nichts von dem, was wir heute sehen, geschehen. Hätten sie einfach unsere Sicherheitsinteressen berücksichtigt, über die wir Jahr für Jahr, im Grunde Jahrzehnt für Jahrzehnt gesprochen haben. Sie haben sie einfach ignoriert. Sie sind bis an unsere Grenzen gekommen. Sind wir an die Grenzen der Länder vorgedrungen, die damals zum NATO-Blocks gehörten? Wir nicht. Sie sind zu uns gekommen. Sind wir über den Ozean an die Grenzen der USA gegangen? Nein, sie sind zu uns gekommen, ganz dicht. Und was machen wir? Wir schützen nur unser Volk in unseren historischen Territorien. Die Behauptung, wir würden nach der Ukraine Europa angreifen, ist also völliger Unsinn.“6
Im Frühjahr und Sommer 2023 glaubten westliche Politiker und Sicherheitsexperten noch, die Ukraine werde die russischen Invasoren mit Hilfe überlegener westlicher Waffen aus dem Land jagen. Wenige Monate später droht der Russe angeblich schon bald vor Berlin zu stehen. So dumm kann selbst Pistorius nicht sein, dass er das wirklich glaubt (oder vielleicht doch?)!
Die ursprünglichen Kriegsziele Putins bestanden darin, den NATO-Beitritt der Ukraine und den Ausbau des Landes zu einem schwer bewaffneten antirussischen Brückenkopf zu verhindern und den russophilen Ukrainern Schutz zu gewähren.7 Man kann diese Ziele als imperialistisch interpretieren insofern, als Putin damit die Ukraine als russische Interessensphäre reklamiert, die nicht souverän entscheiden kann, ob sie Teil der NATO werden will, und in deren innere Angelegenheiten er sich einmischt, indem er sich für die Behandlung einer ihm nahestehenden Bevölkerungsgruppe in der Ukraine für zuständig erklärt. Dieser so verstandene russische Imperialismus beschränkt sich allerdings auf das Russland regional und ethnisch nahestehende Ausland. Er prallt in der Ukraine auf den transnationalen Imperialismus der USA und der NATO, der praktisch keine Grenzen kennt und keine Interessensphären anerkennt außer der eigenen.
Nonsens: Es handelt sich um einen Konflikt zwischen Demokratien und Autokratien, in dem die Ukraine auch unsere Freiheit verteidigt.
Allgegenwärtig ist auch die Behauptung die Ukraine sei das erste Schlachtfeld in einer weltumspannenden Auseinandersetzung zwischen Demokratien und Autokratien. Wenn sich das autokratische Russland gegen die demokratische Ukraine durchsetze, werde sich auch das autokratische China ermutigt fühlen, das demokratische Taiwan zu anzugreifen. Ein solches frei erfundenes Narrativ bläst einen lokalen Konflikt zum Vorboten eines Weltkriegs auf und droht zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung zu werden. Es ist heuchlerisch angesichts der Tatsache, dass der Westen 2014 einen Regimewechsel in Kiew unterstützt hat, bei dem ein demokratisch gewählter Präsident mit am Ende gewalttätigen Demonstrationen aus dem Land gejagt wurde. Zudem sind die USA von der Geschichte, wonach die Ukraine ein demokratisches Bollwerk gegen die russische Autokratie sei, selbst nicht überzeugt. Vor dem NATO-Gipfel in Vilnius im Juli 2023 lehnte Präsident Biden eine schnelle Aufnahme der Ukraine in die NATO mit der Begründung ab, die Ukraine müsse sich zunächst demokratisieren. 8
Nicolai Petro hat in "The Tragedy of Ukraine"9 überzeugend dargelegt, dass die Ursache des Konflikts in der Zerrissenheit der Ukraine zwischen zwei Identitäten liegt, einer "galizischen Identität" die auf Abgrenzung zu Russland besteht und einer "kleinrussischen Identität", die sich eng mit Russland verbunden sieht. Ohne Einmischung von außen wäre dieser Konflikt bestenfalls durch eine föderale Struktur gelöst worden. Schlimmstenfalls wäre es bei einem Bürgerkrieg geblieben, in dem die Anhänger einer „galizischen Identität“ für eine monokulturelle Ukraine kämpfen und dabei auf Widerstand der Anhänger einer „kleinrussischen Identität“ im Donbas stoßen. Erst die jahrzehntelange Einmischung Russlands, der USA und der NATO hat den Konflikt zu einem Stellvertreterkrieg zwischen diesen Parteien zugespitzt, in dem eine Auseinandersetzung zwischen Demokratien und Autokratien hineinfantasiert wird.
Lüge: Die Ukraine ist ein unschuldiges Opfer
Die Beendigung des Konflikts in der Ostukraine war ein zentrales Ziel der Präsidentschaftskampagne von Selenski im Jahr 2019. Selenski versprach, ernsthafte Friedensverhandlungen mit Russland und den prorussischen Separatisten zu führen, um eine friedliche Lösung zu finden und die territoriale Integrität der Ukraine wiederherzustellen. Amtsinhaber Poroschenko stand dagegen für eine unnachgiebige Haltung gegenüber Russland. Er strebte eine engere Integration der Ukraine in europäische und transatlantische Strukturen an, einschließlich einer Mitgliedschaft in der NATO. Die Mitgliedschaft in beiden Organisationen wurde noch unter Poroschenko im Februar 2019 sogar als Staatsziel in der Verfassung verankert. Selenski setzte sich in der Stichwahl um das Präsidentenamt im April 2021 mit einer überwältigenden Mehrheit von 73% der Stimmen gegen Amtsinhaber Poroschenko durch, der nur 24% der Stimmen erhielt. Dies deutet darauf hin, dass es eine demokratische Mehrheit dafür gab, der multikulturellen Realität in der Ukraine Rechnung zu tragen und zu einem Ausgleich zwischen der „galizischen“- und der „kleinrussischen Identität“ sowie mit Russland zu kommen.
Eine gute Grundlage dafür hätten noch immer die Minsk II Vereinbarungen geboten, die im wesentlichen a) eine Waffenruhe, b) die Verabschiedung eines Autonomiegesetzes für die ostukrainischen Grenzregionen und c) den Abzug fremder, also russisch kontrollierter Truppen vorsah. Die Umsetzung dürfte unter anderem daran gescheitert sein, dass sich beide Seiten nicht vertrauten und darauf bestanden, dass die jeweils andere Seite den ersten Schritt, also den Truppenabzug bzw. die Verabschiedung eines Autonomiegesetzes, unternimmt.
In jedem Fall setzte 2021 eine Eskalationsdynamik ein, an der die ukrainische Regierung zumindest maßgeblich beteiligt war und die schließlich in den Krieg mündete. Im Februar 2021 verhängte die ukrainische Regierung „Sanktionen gegen Viktor Medwedtschuk, einen der einflussreichsten ukrainischen Politiker mit sehr guten Kontakten nach Moskau, sowie gegen weitere mit Russland verbundene Personen und Unternehmen“.10 Medwedtschuks Partei „Oppositionsplattform – Für das Leben“, war immerhin mit einem Stimmenanteil von 13% die zweitstärkste Partei im ukrainischen Parlament seit den Parlamentswahlen 2019. Kurz darauf kam es in der Ostukraine vermehrt zu Waffenstillstandsverletzungen durch die von den von Russland unterstützten Separatisten. Im März 2021 erließ Selenski das Dekret Nr. 117, mit dem die Regierung angewiesen wird eine Strategie zur „Entbesetzung und Wiedereingliederung des vorübergehend besetzten Gebiets der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol“ zu erarbeiten. Gleichzeitig forderte er Präsident Biden und NATO-Generalsekretär Stoltenberg auf, die Ukraine zügig in die NATO aufzunehmen. Auf X schrieb Selenski: „Die Nato ist der einzige Weg, um den Krieg im Donbass zu beenden“11 Es liegt nahe, dies als Vorbereitung einer militärischen Rückeroberung der Separatistengebiete im Donbas und der Krim zu interpretieren. Moskau reagierte aggressiv mit einem Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze, der zwischenzeitlich abgebaut und wieder verstärkt wurde nach dem bis dahin größten Sea Breeze-Manöver, welches im Juni/Juli 2021 im Schwarzen Meer von der US-Marine und der ukrainischen Marine ausgerichtet wurde. Im November 2021 schließlich unterzeichneten die Außenminister der USA und der Ukraine eine „US-Ukraine Charter on Strategic Partnership“ in der die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine als strategisches Ziel genannt wird und die einen Schwerpunkt auf militärische Kooperation legt, um der „russischen Aggression“ entgegenzuwirken.
Eine verantwortungsbewusste und am Erhalt des Friedens interessierte ukrainische Regierung hätte diese Provokationen der benachbarten Großmacht vermieden. Es wäre der Ukraine sicherlich zuzumuten gewesen, bei der Umsetzung von Minsk II den ersten Schritt zu tun, statt auf Konfrontationskurs mit Russland zu gehen und dabei auf die Unterstützung der einen Ozean entfernten Supermacht zu hoffen.
Lüge: Putin will nicht verhandeln
Besonders dreist ist die seit Kriegsbeginn von Politikern und ihren so genannten Sicherheitsexperten fast gebetsmühlenartig vorgetragene Behauptung Putin wolle nicht verhandeln.
Tatsache ist, dass Russland unmittelbar vor Kriegsbeginn den USA und der NATO einen letzten, ultimativen Forderungskatalog vorgelegt hat, dessen wichtigste Forderung der Stopp der NATO-Osterweiterung war.12 USA und NATO haben Verhandlungen darüber mit Verweis auf die heilige „open door policy“ der NATO abgelehnt.
Unmittelbar nach Kriegsbeginn haben Putin und Selenski an einer schnellen Verhandlungslösung arbeiten lassen. Bereits im April 2022 kamen Russland und die Ukraine in Istanbul einer Einigung recht nahe. Dies bestätigten der damalige israelischen Premierminister Naftali Bennett, der ehemalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder und der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu. Auch mehrere ukrainische Delegierte äußerten sich positiv zu den Verhandlungsergebnissen. Oleksiy Arestovych, ein ehemaliger Berater des ukrainischen Präsidenten sagte am Ende der Istanbuler Gespräche habe die ukrainische Delegation "die Champagnerflasche geöffnet". David Arakhamia, der das ukrainische Verhandlungsteam in Istanbul leitete, sagte in einem Interview am 24. November 2023, dass Russland bereit gewesen war, den Krieg zu beenden, wenn wir uns verpflichten würden, nicht der NATO beizutreten. Oleksandr Chalyi, ehemaliger stellvertretender Außenminister und ebenfalls Mitglied des ukrainischen Verhandlungsteams in Istanbul, betonte, dass Putin "echte Bemühungen um einen realistischen Kompromiss und Frieden gezeigt" habe. Und selbst Präsident Selenski äußerte sich noch im März 2022, öffentlich positiv zu den Istanbuler Gesprächen.13
Ein möglicher Kompromiss scheiterte eher an den USA, Großbritannien und der NATO als an Russland. Der britische Premier Boris Johnson kam Anfang April 2022 mit zwei Botschaften nach Kiew: Erstens sei Putin ein Kriegsverbrecher; man müsse Druck auf ihn ausüben, nicht mit ihm verhandeln. Die zweite lautet, dass selbst wenn die Ukraine bereit sei, mit Putin einige Vereinbarungen über Garantien zu unterzeichnen, der kollektive Westen es aber nicht ist. Wenig später erklärte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin nach einem Besuch in Kiew, die USA wollten die Gelegenheit nutzen, um Russland im Zuge des Ukraine-Kriegs auf Dauer militärisch und wirtschaftlich niederzuringen.14 Anfang Oktober 2022 schließlich verbot Präsident Selenski Verhandlungen mit Putin per Dekret.15
Umgekehrt haben sowohl Putin als auch sein Außenminister Lawrow seither bei zahlreichen Auftritten immer wieder grundsätzlich Verhandlungsbereitschaft signalisiert. Putin zuletzt bei seinem Besuch in China und dem Interview mit Tucker Carlson16, Lawrow unter anderem bei einer Pressekonferenz bei der UN. Betont wird dabei allerdings auch stets, dass den militärischen Fakten dabei Rechnung zu tragen sei, was sicher bedeutet, dass so günstige Bedingungen wie sie das Istanbuler Abkommen für die Ukraine ermöglicht hätte, nicht mehr erreichbar sind.
Globalisten: Krieg für westliche Werte; Patrioten: Neutralität im deutschen Interesse
Obwohl es kein vernünftiges Argument für das faktische Eingreifen Deutschlands in den Krieg Russlands gegen die Ukraine gibt, das einer näheren Überprüfung standhält, diskutieren Politiker von Ampel und CDU und die ihnen ergebenen Mainstream-Medien unentwegt darüber, was die Ukraine alles brauche. Sie braucht immer mehr Waffen, erst Helme, dann Marder und Leoparden, jetzt Taurus, eine Flugverbotszone, Soldaten aus NATO-Staaten und natürlich viele Milliarden Euro.
Deutsche Interessen spielen dagegen so gut wie nie eine zentrale Rolle. Es liegt eigentlich auf der Hand, dass das primäre deutsche Interesse darin besteht, nicht in diesen Krieg hineingezogen zu werden, der im schlimmsten Fall in einer nuklearen Apokalypse enden könnte. Der beste Weg, diese Gefahr abzuwenden, ist natürlich, den Krieg zu beenden; wie und unter welchen Bedingungen, ist zwar nicht gleichgültig, aber zweitrangig. Für Deutschland spielt es keine große Rolle, ob die Krim und der Donbas vom russischen Regime oder vom ukrainischen Regime beherrscht werden. Und eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine widerspricht eindeutig deutschen sicherheitspolitischen Interessen, weil damit eine Verpflichtung zum direkten Kriegseintritt gegen Russland verbunden wäre, ohne dass dem irgendein sicherheitspolitischer Nutzen gegenüberstünde. Angesichts der begrenzten Möglichkeiten Deutschlands auf eine Beendigung des Krieges hinzuwirken, besteht die zweitbeste Möglichkeit dazu nicht Kriegspartei zu werden, darin, sich wie Ungarn weitestgehend herauszuhalten, d. h. sich nur mit Diplomatie oder humanitärer Hilfe zu engagieren. Jeder halbwegs rationale und gut informierte Politiker, Journalist oder Bürger müsste in der Lage sein das zu erkennen.
Warum also verhalten sich Politik und Medien in Deutschland zum Krieg in der Ukraine so konträr zu den deutschen Interessen? Sicherlich gibt es eine Vielzahl von Erklärungen: Eine gewisse Kriegsbegeisterung, der Vasallenstatus gegenüber den USA und ihren Weltmachtambitionen, Opportunismus und Konformismus. Da auch Dummheit bis an die Grenze zur Schuldunfähigkeit in Politik und Medien verbreitet ist, haben sich manche wahrscheinlich auch selbst mit der eigenen Propaganda von den üblichen Lügen und Mythen überzeugt. Eine wichtige Voraussetzung und Erklärung für die enthusiastische, teilweise geradezu fanatische Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland durch die politisch-mediale Elite in Deutschland und ihre so genannten Sicherheitsexperten ist die auf ihrer religionsähnlichen Weltanschauung beruhende gefühlte moralische Überlegenheit. 17
Alle etablierten Parteien, egal ob die Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP, oder die CDU/CSU-Opposition sowie alle Mainstream-Medien sind mehr oder weniger Globalisten. Unter Globalismus wird hier die Verbindung des moralischen Universalismus der überwiegend linken Politiker und Medienschaffenden mit dem ökonomischen Internationalismus der Wirtschaftseliten verstanden. Globalisten streben die Internationalisierung der Politik zur Weltinnenpolitik an. Sie drängen auf eine weltweite Verbreitung der Menschenrechte, der westlichen Werte und ihres Demokratieverständnisses. Sie plädieren für offene Grenzen für Kapital und Menschen eine schrittweise Übertragung nationaler Souveränitätsrechte auf supranationale Einheiten wie die UNO, die WHO, die EU und auch die NATO, denn die Verbreitung der Ideen der Globalisten setzt eine militärische Hegemonie der NATO mit ihrer Führungsmacht USA voraus. Moralische Universalisten fühlen sich verpflichtet die Interessen aller Menschen gleichermaßen zu berücksichtigen. Deutsche Politiker mit universalistischer politisch-moralischer Grundorientierung sehen sich dementsprechend nicht verpflichtet primär den Interessen der Deutschen zu dienen.
Dieses realitätsblinde, religionsähnliche Weltbild der politisch-medialen Eliten ist in der Migrationspolitik der letzten Jahre besonders deutlich geworden. Die millionenfache unqualifizierte und kulturfremde Einwanderung in das deutsche Sozialsystem widerspricht eklatant den Interessen der einheimischen Bevölkerung, die dafür unter anderem mit höheren Steuern, schlechteren Sozialleistungen, Wohnungsnot und höherer Kriminalität bezahlen muss. Aber ein imaginiertes Menschrecht auf Migration wird von den globalistischen Eliten höher gewichtet, eine bevorzugte Berücksichtigung der Interessen der Deutschen verbietet ihr moralischer Universalismus.
Die Ukraine ist seit dem Zerfall der Sowjetunion und insbesondere seit 2014 Schauplatz einer Auseinandersetzung zwischen dem Westen und Russland. Der Westen strebt danach die Ukraine von Russland zu lösen, sie in die EU und die NATO zu integrieren und damit seinen Einflussbereich, seine universell verstandenen Werte und die Reichweite seiner Konzerne auf die Ukraine auszudehnen. Die westliche außenpolitische Strategie Menschenrechte, Demokratie und Marktwirtschaft nicht nur im eigenen Land, sondern weltweit zu verbreiten kann als „liberaler Interventionismus“ oder „liberale Hegemonie“18 bezeichnet werden. Eine besonders aggressive Variante der liberalen Interventionisten die insbesondere in den USA verbreitet ist, sind die sogenannten "Neocons", die die Regierung von G. W. Bush dominierten und im außenpolitischen Establishment immer noch viel Einfluss haben. Die Neocons glaubten den Irak in einen demokratischen Vasallenstaat bomben zu können und haben seither nichts dazugelernt.
Demgegenüber beansprucht das von Putin autokratisch regierte und westliche Werte ablehnende Russland die ehemalige Sowjetrepublik Ukraine als eigene Interessensphäre, der eine Mitgliedschaft zumindest in der NATO verwehrt wird, weil sie Nachbarstaat Russlands ist und Russen und Ukrainer als verwandte Völker gelten. Putin verweigert damit den Ukrainern aus Perspektive der Globalisten ihre universalen Menschenrechte und steht den Zielen globaler Konzerne im Weg.19
Aus Sicht der politisch-medialen Elite in Deutschland ergibt sich daraus eine moralische Verpflichtung zur Intervention, also zur Unterstützung der Ukraine mit Waffenlieferungen, auch wenn dies mit erheblichen sicherheitspolitischen Risiken und wirtschaftlichen Nachteilen für Deutschland verbunden ist, denen kein entsprechender Vorteil gegenübersteht. Als moralische Universalisten messen sie den Interessen der Deutschen, deren Politiker sie sind, keine vorrangige Bedeutung zu. Sie wollen, wie Außenministerin Baerbock offen gesagt hat, die Ukraine unterstützen, egal was ihre deutschen Wähler denken. 20 Wenn sie noch zögern deutsche Soldaten in die Ukraine zu schicken, dann nicht, um deren Leben zu schonen, denn das ist ihnen nicht wichtiger als das Leben ukrainischer Soldaten, sondern weil sie schlicht spüren, dass es sie die Macht kosten könnte. Friedensverhandlungen mit Putin und ein schmutziger Kompromiss sind mit der edlen moralischen Gesinnung der Weltanschauungskrieger nicht vereinbar, auch wenn sie dafür in Kauf nehmen müssen, dass das Gemetzel in der Ukraine bis zur letzten Ukrainerin weitergeht. Ihr missionarischer Eifer lässt sie für die gute Sache über Leichen gehen und macht sie zu den nützlichen Idioten der US-Neocons.
Die neuen Parteien in Deutschland, AfD und BSW, die normalerweise an den entgegengesetzten Enden des politischen Rechts-Links-Spektrums verortet werden, sind sich in ihrer Ablehnung dieser Ukraine-Politik ebenso einig, wie in ihrer Kritik an der Migrationspolitik. Diese Einigkeit resultiert daraus, dass das Weltbild beider Parteien nicht universalistisch, sondern partikularistisch ist.
Ein partikularistisches Weltbild impliziert eine Bevorzugung der eigenen Interessen gegenüber denen anderer. Im privaten Bereich bedeutet dies eine Bevorzugung der eigenen Familie gegenüber anderen, bekannten oder unbekannten Personen. Der moralische Universalismus lässt, konsequent zu Ende gedacht, selbst eine solche Bevorzugung nicht zu. Partikularistisch denkende Politiker fühlen sich vor allem dem eigenen Volk verpflichtet, sie sind Patrioten. Die universalistische Forderung, die Interessen aller Erdenbewohner gleichermaßen zu berücksichtigen und die als einzig richtig erkannten westlichen Werte auch in anderen Ländern zu verbreiten, lehnen sie als weltfremd, unmoralisch und übergriffig ab. Politiker von AfD und BSW betonen daher, dass der Krieg zwischen Russland und der Ukraine nicht unser Krieg sei, sie halten eine deutsche Beteiligung an diesem Krieg nicht für im deutschen Interesse und leiten daraus die Verpflichtung ab, Deutschland aus diesem Krieg herauszuhalten.
Eine solche interessenorientierte Zurückhaltung ist weder feige noch unmoralisch, sondern eine realistische, friedenserhaltende und deeskalierende Strategie, die verantwortungsethisch geradezu geboten ist. Hätte sich der Westen seit 1991 und insbesondere ab 2013 aus dem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine einfach herausgehalten, wäre es nicht zu diesem Krieg gekommen, so wie es keinen Ersten Weltkrieg gegeben hätte, wenn sich Deutschland, Russland, Frankreich und Großbritannien sich 1914 aus dem Konflikt zwischen Serbien und Österreich-Ungarn herausgehalten hätten.
Die Tatsache, dass die neuen Parteien im Gegensatz zu den etablierten Konkurrenten ihre vorrangige Aufgabe darin sehen, deutsche Interessen zu vertreten, erklärt zu einem großen Teil ihre Entstehung und ihren wachsenden Erfolg trotz massiver Diffamierung durch die globalistisch dominierten Medien und politischer Verfolgung durch den Inlandsgeheimdienst. Entgegen den Behauptungen der globalistischen Medien sind AfD und BSW keine Gefahr, sondern eine Chance für Deutschland, gerade wenn es darum geht den Frieden zu erhalten.
Nr. 15 vom 26. Oktober 2023 - Zeitgeschehen im Fokus (zeitgeschehen-im-fokus.ch)
Hier lesen Sie eine detaillierte Rekonstruktion der ukrainisch-russischen Friedens-Verhandlungen im März 2022, die vom Westen verhindert wurden. Die fatalen Folgen lehren uns, dass sich dies nicht wiederholen darf und alsbald eine Lösung angestrebt werden muss (weltwoche.ch)
The Talks That Could Have Ended the War in Ukraine | Foreign Affairs
Es wird wohl nicht Russland gewesen sein, dass diese Vereinbarung gezeichnet hat: Im November 2021 schließlich unterzeichneten die Außenminister der Ukraine und Russlands eine „US-Ukraine Charter on Strategic Partnership“ in der die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine als strategisches Ziel genannt wird und die einen Schwerpunkt auf militärische Kooperation legt, um der „russischen Aggression“ entgegenzuwirken.