Ukraine-Politik: Merz spielt mit dem Feuer - und es gibt keine Feuerwehr
Bundeskanzler Friedrich Merz hat erklärt, dass für von Deutschland an die Ukraine gelieferte Waffen künftig keine Reichweitenbeschränkungen mehr gelten. Es ist eine bemerkenswerte Kehrtwende gegenüber der vorsichtigeren Linie seines Vorgängers Olaf Scholz, der Angriffe auf russisches Staatsgebiet mit deutscher Waffentechnologie vermeiden wollte.
Die in ihrer Bedeutung etwas unklaren Einlassungen des Kanzlers werden von den kriegsbegeisterten Medien und ihren so genannten Sicherheitsexperten enthusiastisch aufgegriffen. Die Diskussion über die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine ist neu entfacht. Merz erklärte, eine solche Lieferung liege "im Bereich des Möglichen", verwies jedoch auf die monatelange Ausbildung, die ukrainisches Personal dafür benötige.
Beim Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenski in Berlin kündigte Merz ein neues Militärhilfspaket in Höhe von fünf Milliarden Euro an. Ein Schwerpunkt soll auf der gemeinsamen Produktion von Langstreckenwaffen in der Ukraine liegen - darunter Drohnen mit Reichweiten von bis zu 800 Kilometern. Ziel ist es offenkundig, der Ukraine die Fähigkeit zu verleihen, Ziele tief im russischen Hinterland zu treffen – formal ohne deutsche Beteiligung.
Doch ob Deutschland von Russland als direkt involviert angesehen wird, wenn mit Taurus oder anderen Langstreckenwaffen Ziele in Russland wie die Kertsch-Brücke oder gar Ministerien in Moskau angegriffen werden, entscheiden weder das Völkerrecht noch der Bundeskanzler, sondern allein Russland. Sollte Russland eine solche Aktion als deutsche Kriegserklärung werten, wird es wenig nützen, wenn Kanzler Merz anschließend beteuert, so sei das alles nicht gemeint gewesen.
Wladimir Putin hat mehrfach erklärt, dass ein Taurus-Einsatz auf russischem Gebiet als direkter deutscher Kriegseintritt gewertet würde. Die Ukraine sei, so der Kreml, ohne technische und operative Hilfe aus Deutschland gar nicht in der Lage, die Systeme effektiv einzusetzen. Eine Einschätzung die durch das Taurus-Leak bestätigt wird, also das abgehörte Gespräch einiger hochrangiger und geschwätziger Offiziere, inklusive des Chefs der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz.
Was geschehen wird, wenn Russland sich im Krieg mit Deutschland sieht, kann niemand mit Gewissheit sagen, auch Friederich Merz nicht. Putin versucht zweifellos entgegen aller martialischen Rhetorik über einen Krieg mit dem Westen, eine direkte militärische Konfrontation mit der NATO zu vermeiden. Er würde damit den wahrscheinlichen Sieg auf dem Schlachtfeld gefährden und riskieren eine schwer zu kontrollierende Eskalationsspirale in Gang zu setzen. Daher würde der Kremlchef vermutlich auch auf Angriffe mit Taurus mit einer Eskalation gegen die Ukraine reagieren. Doch es kann auch anders kommen. Putin könnte sich innenpolitisch unter Druck sehen auf einen Angriff durch Deutschland auch mit einem Gegenschlag auf Deutschland zu reagieren. Darüber hinaus riskiert Russland, wenn es nur gegen die Ukraine reagiert, obwohl wieder eine zuvor gezogene rote Linie überschritten wurde, die Europäer zu einem noch stärkeren Engagement zu ermutigen.
Wie Russland auch gegen Deutschland reagieren könnte, hat es am 21. November 2024 signalisiert. Russland setzte erstmals die neu entwickelte Mittelstreckenrakete Oreschnik ein. Der Angriff auf ein Rüstungswerk in Dnipro hatte vor allem demonstrativen Charakter, da wohl lediglich Übungsmunition ohne Sprengstoff eingesetzt wurde. Die Botschaft aber war deutlich: Oreshnik soll eine Reichweite von bis zu 5.000 km haben und mit einer Geschwindigkeit von ca. 12.300 km/h unterwegs sein. Deutschland wäre also von Russland aus in ca. 10 min erreichbar. Der sechs mal sechs Mehrfachsprengkopf kann sowohl konventionell als auch nuklear bestückt werden. Gegenwärtige Luftabwehrsysteme, auch deutsche, gelten als weitgehend machtlos gegen diese Waffe.
Die Eskalationsdominanz liegt damit klar auf russischer Seite. Russland hat die Option auf einen deutschen Angriff mit Taurus auf russisches Territorium mit einem Gegenschlag mit Oreshnik auf deutsches Territorium zu reagieren. Plausible reziproke Ziele in Deutschland wären nach einem Angriff von Taurus auf militärische Einrichtungen in Russland der Sitz des Taurus Herstellers in Schrobenhausen oder, wenn Taurus die Kertsch-Brücke zerstört, ein Angriff auf Infrastruktur wie den Frankfurter Flughafen. Da die deutsche Luftverteidigung Oreshnik wahrscheinlich ohnehin hilflos gegenübersteht, könnte Russland den Angriff sogar ankündigen, um zu verhindern, dass eine große Zahl Zivilisten zu Schaden kommt. Trotzdem die Propaganda der Mainstream-Medien die Bevölkerung seit mehr als drei Jahren mental auf Krieg einstimmt, dürfte nach einem derartigen Angriff Panik und Chaos in Deutschland ausbrechen. Putin könnte nach einem konventionellen Angriff Deutschland auffordern die Unterstützung der Ukraine zu beenden und drohen bei einer Fortsetzung oder gar Intensivierung die Sprengköpfe von Oreshnik beim nächsten Angriff nuklear zu bestücken.
Was würde Kriegskanzler Friedrich Merz in dieser Situation machen? Viele militärische Optionen dürfte er angesichts des Zustandes der Bundeswehr nicht haben. Auf Hilfe aus den USA wird Merz nicht rechnen können. Präsident Trump hat in seiner Rede zur Amtseinführung betont, er wolle als „Friedenspräsident“ in die Geschichte eingehen und dies gerade anlässlich eines Besuches in Saudi-Arabien wiederholt. Eine Unterstützung der Ukraine mit Taurus durch Deutschland, wäre ohne Einverständnis der Trump-Administration erfolgt, da damit deren Friedensbemühungen unterminiert werden. Trump könnte argumentieren der Angriff auf Deutschland sei die Reaktion auf einen Angriff Deutschlands auf Russland und löse daher auch keine Beistandsverpflichtung laut Artikel 5 des NATO-Vertrages aus. Auch ohne diese Argumentation würde Trump sich vermutlich darauf beschränken ein Beileidstelegramm an die Berliner Politiker zu schicken, die ihn unentwegt lächerlich machen. Artikel 5 des NATO-Vertrages verlangt schließlich von jedem Land nur die Maßnahmen zu ergreifen, die es für erforderlich erachtet.
Ein derartiges Szenario mag man noch für wenig wahrscheinlich halten, ausgeschlossen ist es sicher nicht. Putin agiert bislang rational und vorsichtig, ein Gegenschlag auf Deutschland als NATO-Staat wäre riskant, aber nicht irrational. Von einem verständigen Bundeskanzler dürfte man erwarten, dass er ein solches Szenario in seine Überlegungen einbezieht. Die rationale Reaktion einer deutschen Regierung, die im Interesse des deutschen Volkes handelt, bestünde darin klein beizugeben und sich aus dem Ukraine-Engagement komplett zurückzuziehen. Eine Beschränkung Deutschlands auf humanitäre Hilfe und Diplomatie wäre aber schon zu Beginn des Krieges im Februar 2022 die einzige rationale Politik für Deutschland und die anderen Europäer gewesen. Der Krieg wäre dann längst beendet, hunderttausende Menschenleben hätten gerettet werden können. Weil kaum ein europäischer Staat über eine rationale, realistische Regierung verfügt, ist es anders gekommen und es kann mit den kriegslüsternen Spitzenpolitikern Merz, Macron, Starmer, Kallas, von der Leyen und Konsorten auch noch schlimmer werden
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